Die Marktlage: Ein Kaltstart mit neuen Vorzeichen
Die Entwicklung seit 2022 ist eine Zäsur. Während die Bau- und Kaufpreise, insbesondere bei Wohnimmobilien, je nach Lage und Energieeffizienz um 10 bis 20 Prozent korrigierten, kannten die Mieten nur eine Richtung: nach oben. Der Grund für die Mietsteigerungen ist ein Angebotsengpass, der sich durch die Welle von Insolvenzen bei Projektentwicklern und den faktischen Stillstand im Neubau massiv verschärft hat. Eine Folge explodierter Kosten für Finanzierungen und Sanierungen. So ist das aktuelle Marktumfeld von einer tiefgreifenden Spaltung geprägt.
Das zentrale Thema dieser neuen Marktphase ist die „große Bifurkation“: Bestimmte Nutzungsarten und moderne, energieeffiziente Immobilien in erstklassigen Lagen („Green Assets“) zeigen inzwischen eine robuste Preiserholung und ziehen den Großteil des investierbaren Kapitals an. Gleichzeitig bleiben ältere, unsanierte Bestandsimmobilien („Brown Assets“) unter erheblichem Preisdruck. Sie tragen das wachsende Risiko, zu „Stranded Assets“ zu werden – Objekten, deren wirtschaftliche Nutzbarkeit durch regulatorische Anforderungen und mangelnde Nachfrage gefährdet ist.
Zeit für einen strategischen Investment-Ausblick: Planbarkeiten, Opportunitäten, Risiken
Der deutsche Immobilienmarkt bietet nach der Korrektur wieder attraktive Einstiegschancen, erfordert aber eine weitaus selektivere und strategischere Herangehensweise als in der vergangenen Dekade. So finden sich im aktuellen Umfeld defensive Anker, strategische Chancen und unkalkulierbare Risiken.Unser Artikel bietet einen ersten Überblick und lädt ein, tiefer zu gehen. Hierzu verweisen wir an den entsprechenden Stellen auf weiterführende Artikel zum jeweiligen Thema.
Wohn-Immobilien
Wohnimmobilien: Im Zentrum der aktuellen Marktchancen stehen Wohnimmobilien im Bestand, die zwei entscheidende Merkmale vereinen: laufende Mieteinnahmen und energetisches Aufwertungspotenzial. Gerade hier hat die Preiskorrektur der letzten zwei Jahre die attraktivsten Einstiegspunkte für antizyklische Investoren geschaffen.
Denkmal: Suchen Investoren nach Objekten, die von Beginn an durch ihre Einzigartigkeit und steuerliche Anreize überzeugen, finden sie diese in der Nische “Denkmalimmobilien”. Die Investition in Denkmalimmobilien ist eine aufwandsintensive Strategie, die auf steuerliche Effekte und hohe Sanierungskompetenz setzt.
Lesen Sie für mehr Details unsere ausführliche “Marktbetrachtung Wohnimmobilien”
Projektentwicklung (Wohnen und Sonstiges): Der Wohnungsneubau, einst der Motor des Immobilienbooms, ist heute das Epizentrum der Krise. Eine toxische Mischung aus explodierten Baukosten, hohen Zinsen und gesunkenen Verkaufspreisen hat das Geschäftsmodell vieler Entwickler zerstört und den Sektor in eine tiefe strukturelle Krise gestürzt. Die im Wohnungsneubau identifizierten Risiken gelten in ähnlicher, wenn nicht sogar verschärfter Form auch für sonstige Projektentwicklungen im gewerblichen Bereich, wo die Nachfragesituation oft noch volatiler ist.
Eine ausführliche Betrachtung finden Sie in unserem “Spezialbericht Projektentwicklung”
Betreiber-Immobilien
Von Pflegeimmobilien über Lebensmittel-Discounter, Baumärkte, Logistik und Lagerzentren, Hotels und Appartementanlagen bis hin zu Boardinghauses (Monteurunterkünften)
Sozial- und Pflegeimmobilien: Getragen vom unaufhaltsamen demografischen Wandel, bieten Pflege- und Sozialimmobilien eine langfristige und konjunkturunabhängige Investitionsperspektive. Die wachsende Nachfrage ist hier gesetzlich garantiert, doch der Erfolg hängt entscheidend von einem Faktor ab: der Qualität des Betreibers. Denn gerade die hatten und haben es in den letzten Jahren nicht leicht!
Nahversorgung für Lebensmittel und Grundbedarf: Wenn es eine krisensichere Konstante im Immobilienmarkt gibt, dann ist es die Nahversorgung. Supermärkte, Discounter und Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker haben sich als unerschütterlicher Fels in der Brandung erwiesen, deren Mieteinnahmen von Konjunkturzyklen nahezu unberührt blieben. Betreiber dieser Objekte profitierten zudem von der Möglichkeit, gestiegene Kosten direkt an ihre Kunden weiterzugeben. Mit der Rückkehr des Zinses sind Kaufpreise auch hier zurückgekommen - noch bieten sich Einstiegschancen.
Baumärkte: Baumärkte und ähnliche Fachmarktkonzepte bedienen einen ebenso fundamentalen Bedarf: die Gestaltung, Instandhaltung und Modernisierung des eigenen Zuhauses. Der Trend zum Heimwerken und zur Renovierung hat sich als struktureller Treiber etabliert. Zudem erzeugt der gesetzliche Druck zur energetischen Sanierung eine konstante Nachfrage nach Baumaterialien, was die Betreiber und damit die Standorte stützt. Investoren finden hier, ähnlich wie bei Supermärkten, langfristige Cashflows, müssen jedoch die spezifische Standortqualität und die Wettbewerbssituation noch genauer analysieren.
Logistikimmobilien: Hinter den Kulissen des täglichen Konsums hat sich die Logistikimmobilie zu einem Kerninvestment in institutionellen Portfolios entwickelt. Getragen von den Megatrends E-Commerce und der Neuordnung globaler Lieferketten, bietet diese Assetklasse eine attraktive Kombination aus Stabilität und Wachstum.
Hotels, Appartements, Boardinghouses: Nach dem beispiellosen Einbruch während der Pandemie feiert die Hotellerie ein starkes Comeback. Für Investoren, die bereit sind, zyklische Chancen zu nutzen und das Betreiberrisiko zu managen, bietet der Sektor wieder attraktive Renditen bei noch moderaten Einstiegspreisen.
Detaillierte Informationen zu diesen Nutzungsarten finden Sie in unserer “Marktbetrachtung Betreiberimmobilien”
Value-Add im Bürobereich
Büroimmobilien: Kaum ein Segment wurde von den strukturellen Veränderungen der letzten Jahre so stark getroffen wie der Büroimmobilienmarkt. Der Trend zu Remote-Arbeit und die strengen ESG-Anforderungen haben zu einer tiefen Spaltung des Marktes geführt und machen Investitionen hier zu einer Wette auf die Zukunft der Arbeit.
Spezialsegment Value-Add: Die Umwandlung gefährdeter Büroobjekte in energieeffiziente, attraktive Mietflächen sind ebenso Kernthema dieses Ansatzes, wie die Umwidmung in andere Nutzungsarten -zum Beispiel Wohnen. Bei dieser Art unternehmerischer Immobilieninvestitionen, die Objekte antizyklisch erwerben, handelt es sich um die Königsdisziplin im aktuellen Marktumfeld.
Aktuelle Conclusio für die strategische Kapitalallokation
Die Ära, in der steigende Märkte fast alle Immobilieninvestitionen nach oben trugen, ist vorbei. Der deutsche Immobilienmarkt des Jahres 2025 verlangt nach Präzision, Expertise und einer klaren strategischen Ausrichtung. Der Erfolg hängt nicht mehr davon ab, ob man investiert, sondern worin und wie.
Passive, undifferenzierte Strategien werden in diesem neuen, anspruchsvollen Marktumfeld kaum noch erfolgreich sein. Die transformative Kraft der ESG-Regularien hat die Energieeffizienz zu einem zentralen Werttreiber gemacht und den Markt unumkehrbar gespalten. Kapital sollte entweder defensiv mit stabilen, inflationsgeschützten Cashflows allokiert oder offensiv zur gezielten Schaffung von „grünem“ Wert in sanierungsbedürftigen Beständen eingesetzt werden. Der unternehmerische Charakter bleibt bei allen Formen erhalten.
Priorität auf belastbare Ertragsprognosen
- Handelsimmobilien (Lebensmittel-Nahversorgung): Dieses Segment ist die erste Wahl für defensive Strategien. Die Nachfrage nach Gütern des täglichen Bedarfs ist konjunkturunabhängig, was zu extrem stabilen Mieteinnahmen von bonitätsstarken Lebensmitteleinzelhändlern und Drogeriemärkten führt. Lange, indexierte Mietverträge bieten einen effektiven Schutz vor Inflation.
- Bestandswohnimmobilien (Neubau & energetisch sanierter Altbau): Hochwertige, energieeffiziente Wohnimmobilien in guten Lagen profitieren von der enormen Nachfrage und dem Mangel an adäquatem Angebot. Der Cashflow ist durch extrem niedrige Leerstandsquoten und stetiges Mietwachstum gesichert, was sie zu einer der sichersten Anlagen im deutschen Immobilienmarkt macht.
- Logistikimmobilien (Prime-Lagen): Getragen von den Megatrends E-Commerce und resilienten Lieferketten, haben sich Logistikimmobilien als Kerninvestment etabliert. Sie bieten eine attraktive Kombination aus stabilen Cashflows durch langfristige Mietverträge und dem Potenzial für moderates Mietwachstum in nachgefragten Logistik-Hubs.
Opportunitäten für aktives Management
- Value-Add Bestandsimmobilien (Altbau mit Sanierungs- bzw. Umwidmungsbedarf): Dies ist die zentrale Value-Add-Chance im aktuellen Markt. Der Erwerb unsanierter Altbauten mit einem signifikanten „Brown Discount“ und die anschließende energetische Sanierung bis hin zu Umwidmungen ermöglichen es, eine erhebliche Wertsteigerung zu realisieren. Im Anschluss kann die Immobilie als „Green Asset“ mit höheren Mieten und einem verbesserten Marktwert neu positioniert werden.
- Senioren- und Pflegeimmobilien: Die demografische Entwicklung garantiert praktisch eine langfristig wachsende Nachfrage. Chancen ergeben sich für spezialisierte Investoren, die in der Lage sind, die Bonität und Managementqualität von Betreibern tiefgehend zu prüfen und Partnerschaften mit finanzstarken, qualitativ hochwertigen Anbietern einzugehen. Der erprobte Umgang mit Krisensituationen sowie eine Partnerschaft von Investor und Betreiber auf Augenhöhe sind essenziell.
- Hotel, Apartment & Boardinghouses: Der Sektor bietet eine attraktive zyklische Erholungschance. Die steigenden Übernachtungszahlen und die Angebotsverknappung im Neubaubereich schaffen ein günstiges Umfeld für bestehende Hotels, Appartementanlagen (z. B. für Studenten) und Boardinghouses. Investitionen in strategisch gut gelegene Objekte, die z. B. von der Erholung des Geschäfts- und Freizeittourismus profitieren, können sich als sehr rentabel erweisen.
Reine Risikoinvestments
- Neubau (Projekte ohne gesicherte Finanzierung/Vorvermietung): Spekulative Projektentwicklungen sind extrem riskant. Die unvorhersehbare Entwicklung der Baukosten, das volatile Preisumfeld und der quasi eingefrorene Markt für Projektfinanzierungen machen das Risiko eines Scheiterns untragbar hoch. Die anhaltende Insolvenzwelle im Sektor ist ein klares Warnsignal. Wer hier investiert, hat Profis an der Hand und ist sich der omnipräsenten Totalverlustgefahr bewusst.
- Gewerbeimmobilien (Büro, unsaniert, Sekundärlagen): Diese Objekte sind dem höchsten Risiko ausgesetzt, zu „Stranded Assets“ zu werden. Die strukturellen Gegenwinde durch neue Arbeitsmodelle und ESG-Regularien sind so stark, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Sanierung oft nicht mehr darstellbar ist. Es drohen dauerhafter Leerstand und ein fortschreitender Wertverfall.
- Handelsimmobilien (Non-Food, Sekundärlagen): Der strukturelle Niedergang des nicht auf den täglichen Bedarf ausgerichteten Einzelhandels in B- und C-Lagen setzt sich fort. Hohe Leerstandsrisiken und sinkende Mieten machen Investitionen in diesem Bereich hochspekulativ.
Fazit: Der Gießkannen-Ansatz der Nullzinsjahre ist vorbei
Der deutsche Immobilienmarkt verlangt heute mehr denn je nach Expertise, sorgfältiger Analyse und vor allem Kapital für Sanierungen. Für aktive, antizyklische Investoren, die den Sanierungsbedarf nicht als Last, sondern als Wertschöpfungspotenzial begreifen, bietet die aktuelle Marktphase jedoch die seltene Chance, Qualitätsimmobilien zu Preisen zu erwerben, die vor drei Jahren undenkbar waren.
Ihre FIN-Redaktion
